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Sekundarschule Unterägeri
1. Klassen
Am 15. Oktober war in der Online-Ausgabe des Tages-Anzeigers folgendes zu sehen: Der obere Beitrag – in eigener Sache – preist den Vorteil personalisierter Inhalte (Grundlage aller Filterblasen), der untere Beitrag beklagt das Nichtwissen der Bevölkerung (unter anderem eine Folge oben genannter Filterblasen).
Mein Kommentar im Online Tages-Anzeiger dazu:
„Ich musste schallend lachen! Unter Ihrem Artikel steht im heutigen Online-Tagi gleich der Artikel: Bald wissen 4 von 10 Schweizern nicht, was in der Welt passiert.
Neben dem Desinteresse vieler sind auch die Filterblasen schuld, die uns nur noch Inhalte liefern, die wir sowieso schon kennen. Dass Sie nun solche Filterblasen fördern, ist mehr als bedenklich.“
Zurzeit wird oben stehender Kettenbrief per WhatsApp verschickt. Während einige Primarschulkinder den Text lässig wegklicken, bereitet er anderen Kindern äusserste Sorge um ihre Mutter. Kein Wunder, wird der Brief sofort weitergeschickt, um (aus Sicht des Kindes) die Mutter zu retten.
Der Brief ist ein Internet-Hoax und geistert bereits seit 2015 in der digitalen Welt herum. Da sich aber immer wieder Menschen finden lassen, die ihn weiterschicken, ist er nicht auszulöschen.
Hat Ihr Kind diesen Brief auch bekommen? Hat es mit Ihnen geredet? … oder den Brief weitergeschickt?
Dies wär eine gute Gelegenheit, mit Ihrem Kind über die Gefahren des Internets zu sprechen. Loben Sie Ihr Kind, wenn es die Datei nicht weitergeschickt hat. Sollte es aber die Nachricht weitergeleitet haben, wäre ein Update in Medienkompetenz angezeigt:
Gehen Sie mit Ihrem Kind auf google und geben Sie den ersten Satz des Texts als Suchbegriff ein, dann werden unzählige Präventionsseiten angezeigt, die vor dem Kettenbrief warnen.
Die ältesten Beiträge kommen aus dem Jahr 2015 – oder noch früher? Sollte der Brief echt sein, so müsste seit 2015 ein schreckliches Muttersterben in Europa wüten – davon ist zum Glück nichts bekannt.
Freundliche Grüsse
… am Beispiel von YouTube:
In einer Minute wird auf YouTube für 300 Stunden Bildmaterial hochgeladen (2015).
Wollte man vor dem Hochladen sämtliches Filmmaterial prüfen, ergäbe sich folgende Rechenspielerei:
In einer Minute für 18000 Minuten: 18000 Mitarbeitende
8h-Arbeitstag (x 3): 54000 Mitarbeitende
5-Tage-Woche (x 7/5): 75600 Mitarbeitende
4 Wochen Ferien (x 52/48): 81900 Mitarbeitende
Aus diesem Grund werden Beiträge auf Youtube (und auf allen anderen gleichgearteten Communities) vor dem Veröffentlichen nicht geprüft – es wäre zu viel Personal notwendig.
Auch das folgende fiktive Stelleninserat zeigt, warum es nicht so einfach wäre, Personal zu finden, welches für diese Aufgabe infrage käme:
Fiktives Stelleninserat:
Stellenprofil – gesucht wird:
Mitarbeitende/r mit der Bereitschaft, 8h am Tag auf einen Bildschirm zu schauen
Ausgewiesene Sprachkenntnisse in: Chinesisch, Hindi, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Bengalisch, Arabisch, Russisch, Japanisch, Deutsch, Französisch, Koreanisch
Ausgewiesene Kenntnisse in folgenden Schriftsystemen: Lateinisch, Chinesisch/Japanisch (mehrere), Arabisch, Kyrillisch
Ausgewiesene Rechtskenntnisse in USA, EU, Russland, China etc.
Falls Sie sich angesprochen fühlen – melden Sie sich!
Am 17.11.2016 erschien im Tages-Anzeiger, von Philippe Wampfler, folgender Artikel:
http://www.tagesanzeiger.ch/leben/bildung/kinder-bringt-eure-handys/story/26752075
Dazu habe ich folgenden Leserbrief verfasst:
Leserbeitrag zu „Kinder, bringt eure Handys“
Der Beitrag von Philippe Wampfler lässt viele Aspekte der Thematik unberücksichtigt:
Es gilt zu unterscheiden, ob seine Forderung die Primarschule oder die Sekundarstufe 1 betrifft. In beiden Stufen ist der Einbezug der digitalen Medien im Unterricht sehr zu begrüssen.
In der Primarschule sollten dies jedoch zwingend Tablets sein (ein Gerät pro Kind), welche die Schule zur Verfügung stellt. Dies deshalb, weil die Schule nur dort gewährleisten kann, dass die Geräte sinnvoll eingesetzt werden. Meine Erfahrungen als Kontaktlehrperson für Gewaltprävention zeigen, dass digitale Geräte in der Freizeit oft für Beleidigungen, Ehrverletzungen, Drohungen, Nötigungen, Erpressungen und Mobbing gebraucht werden. Dies tritt häufig in sechsten Klassen auf, wo teilweise bis weit nach Mitternacht solche Taten begangen werden – in einer Zeit, in der sich die Kinder eigentlich auf den Übertritt in die Sekundarstufe 1 vorbereiten sollten. Dazu sollten die Schulen nicht Hand bieten. Wenn nun Herr Wampfler fordert, Handys in die Schule zu bringen, so setzt er ein falsches Zeichen. Politiker und Politikerinnen werden dieser Forderung sehr gerne nachkommen, weil sie eine Sparübung ist, die erst noch scheinbar positiv begründet werden kann. Zudem werden Eltern, die einen sehr differenzierten Umgang mit den digitalen Medien pflegen, indem sie z.B. ihren Primarschulkindern keine eigenen Geräte schenken, sondern den Zugang mit einem Familiendandy gewährleisten, sträflich im Stich gelassen.
Es gibt Schulgemeinden, die in der Sekundarstufe 1 Jugendlichen Tablets zur Verfügung stellen, welche sie auch zu Hause benützen dürfen. Solche Geräte durch eigene zu ersetzen, ist diskutabel.
Aber auch auf dieser Stufe – erst recht – ist es möglich, die Geräte für unerwünschte Tätigkeiten zu verwenden. Viele Schulen stellen sich auf den Standpunkt, dass sie nicht für Missbrauch der Geräte zu Hause verantwortlich sind. Dies mag rechtlich stimmen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Schule ihrem Bildungsauftrag nachkommen kann, wenn sich die Kinder in der Freizeit bedrohen, beleidigen und Mobbing betreiben.
Auch wenn diese negativen Tätigkeiten die Freizeit betreffen, muss sie die Schule abfedern, weil die Auswirkungen in die Schule hineinreichen. Das heisst, dass Schulen gestärkt werden müssen in weitergehenden Kompetenzen. Sie müssen Mobbingfälle erkennen und – zusammen mit den beteiligten Familien, ggf. auch mit Beizug von Fachkräften – lösen können. Dazu sind mediative Ansätze unerlässlich, weil sie win-win-Lösungen fördern, von denen alle (auch die Täterinnen und Täter!) profitieren. Erst wenn eine Schule eine solche Kultur pflegt, werden die Jugendlichen bereit sein, Mobbingfälle zu melden. Andernfalls geben die digitalen Medien den Jugendlichen unendlich viel Raum, ihr Mobbing unentdeckt weiterzutreiben.
Es wäre schön, wenn sich Herr Wampfler einmal mit einem Gewaltpräventions-Experten zusammensetzen würde. Den dabei entstehenden Lösungsansätzen dürfte gespannt entgegen geblickt werden.
Christian Bochsler
Kontaktlehrperon für Gewaltprävention Coach, Supervisor, Mediator
Am 18. Juni 2016 wurde in der Schweiz ein Kind entführt, welches via Internet vom Täter angesprochen worden war. (Name und Ort tun nichts mehr zur Sache – das Kind wurde nach acht Tagen durch die Polizei gefunden; der mutmassliche Täter ist gefasst.)
Interessant ist der Beitrag von „20 Minuten“ vom 28.6.2016:
„So merken Sie, ob Ihr Kind im Netz angemacht wird“
[http://www.20min.ch/digital/news/story/28096281], aufgerufen am 28.6.16; in dem Beat W. Zemp erklärt, die Schulen würden unter anderem mit dem Spielprogramm „Security4Kids“ Prävention betreiben.
Eifrige Leserinnen und Leser meines Blogs wissen seit 2015, dass es dieses Programm seit Ende 2014 gar nicht mehr gibt.
Das lässt Rückschlüsse zu, wann Zemp dieses Programm letztmals selber angeschaut oder sich darüber mit anderen Lehrkräften ausgetauscht hat; gefolgt von der Frage, wie aktuell es um das Internet-Präventionswissen der Lehrerschaft steht.
Interessant ist auch die Begründung von Microsoft, weshalb das Programm eingestellt worden ist:
[„Als Microsoft und Symantec mit Partnern die Initiative 2006 gründeten, war security4kids weitgehend allein auf weiter Flur. Mittlerweile hat das Thema Online-Sicherheit und Medienkompetenz – glücklicherweise – Einzug in den Mainstream gehalten und Schulen, Lehrkräfte sowie Eltern sind sich ihrer Verantwortung bewusst.“; https://www.innovativeschools.ch/Blog/Neuigkeiten_06_15/2726_Neuigkeiten_06_15_Detail.htm?mNews=63; aufgerufen am 2.9.2015]
Vielleicht war es doch etwas zu früh, dieses Programm einzustellen?
Die Krux mit „Twitter“:
Ständig etwas sagen müssen – ohne etwas zu sagen zu haben!
Der Chat
Roman
Autorin/Autor: Klaus/Klaus
Cosmos Verlag
„Der Chat“ ist ausschliesslich in Form eines Klassen-Chats geschrieben. Die Lesenden erleben mit, wie eine Schulklasse einen Mord erlebt – doch es bleibt nicht bei dem einen Todesfall. Schliesslich kommt es zu einem Showdown, der sich gewaschen hat.
Der Roman ist in authentischen Chat-Dialogen geschrieben, die so in jedem Klassen-Chat real vorkommen können. Die Sprache ist teilweise derb und sexistisch – aber real. Erstaunlich, wie es die Autorin und der Autor geschafft haben, die Geschichte nachvollziehbar zu entwickeln, ohne den Chat-Rahmen, den sie sich gegeben haben, verlassen zu müssen. Nach einem Knick im Spannungsbogen im zweiten Teil kommt es in der Geschichte zu einem überraschenden Ende.
Eindrücklich ist auch, wie aufgezeigt wird, wie sich die Jugendlichen in ihrer eigenen Welt bewegen – und dadurch auch von jeder Hilfe von ausserhalb abgeschottet sind.
Anfangs Jahr wurde die von Microsoft und Symantec betriebene Präventionsseite „security4kids“ vom Netz genommen. Microsoft äussert sich dazu folgendermassen:
[„Als Microsoft und Symantec mit Partnern die Initiative 2006 gründeten, war security4kids weitgehend allein auf weiter Flur. Mittlerweile hat das Thema Online-Sicherheit und Medienkompetenz – glücklicherweise – Einzug in den Mainstream gehalten und Schulen, Lehrkräfte sowie Eltern sind sich ihrer Verantwortung bewusst.“; https://www.innovativeschools.ch/Blog/Neuigkeiten_06_15/2726_Neuigkeiten_06_15_Detail.htm?mNews=63; aufgerufen am 2.9.2015]
Auf den ersten Blick scheint dies eine Erfolgsmeldung zu sein: Da wir nun in Medienkompetenz geschult sind, ist der Betrieb der Präventionsseite nicht mehr nötig. Die Sache hat aber einen Haken, den ich Ihnen gerne mit dem Parallelbeispiel der „Hundehaufen-Problematik“ darlegen möchte:
Wir alle hassen es, in Hundehaufen zu stehen – es ist widerlich. Würden wir die Problematik gleich angehen, wie die Gefahren des Internets, so würden wir folgendermassen vorgehen:
Es gäbe eine Schulung in „Hundehaufen-Erkennungs-und-Beseitigungs-Kompetenz“ ™. (Diese Schulung wäre nicht ganz billig – aber man gönnt sich ja sonst nichts.) Folgende Bestandteile würden uns erwarten:
1. Sicheres Erkennen der Hundehaufen (entspricht den Internetgefahren: Viren etc.)
2. Effektive und vollständige Beseitigung der Haufen mit Robidog-Säcklein (entspricht der Aktivierung von Virenschutzprogrammen)
3. Verkauf der dazu nötigen Utensilien: Robidog-Säcklein, Handschuhe, Giesskannen etc. (entspricht dem Verkauf von Virenschutzprogrammen, Backup-Programmen, Helpline-Abonnementen etc.)
Und warum gibt es diese „Hundehaufen-Erkennungs-und-Beseitigungs-Kompetenz“ ™ nicht? Weil wir einfachen Gemüter davon ausgehen, dass der Hundehalter selber diese Haufen entfernt. Nur im Internet ist es so, dass einer den Haufen macht (Site-Betreiber wie Youtube, Facebook etc.) und der Leidtragende ihn wegräumen muss.