Wieder einmal hatte ich in der Schule übers Rauchen gesprochen. Ich zweifle immer mehr an der Wirkung solcher Inhalte. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich damit nur den „Reiz des Verbotenen“ schüre.
Tatsächlich begegnete ich kurze Zeit später Marc, einem meiner Sechstklässler. Es war in der Freizeit und er roch wie ein gefüllter Aschenbecher. Sofort merkte er, was ich dachte und sagte mit breitem Grinsen: „Was wollen Sie überhaupt? Sie können ja doch nicht verhindern, dass ich rauche. Meine Eltern finden das in Ordnung, Und wenn Sie weg sind, stecke ich mir gleich die nächste an!“
Das Grinsen und meine Hilflosigkeit machten mich so hässig, dass ich ausser mir geriet. Doch im letzten Moment gelang es mir, mich zu zügeln, und ich hatte eine Idee:
Ich blieb einen Moment lang ganz still, dann schaute ich Marc tief in die Augen. Pathetisch begann ich zu sprechen: „Ich sage dir! Von diesem Moment an wirst du bei jeder Zigarette, die du rauchst, an mich denken!“ Dazu machte ich eine vielsagende Handbewegung, wendete mich ab und ging davon. Noch aus dem Augenwinkel sah ich, wie Marcs Grinsen im Gesicht erstarrt war.
Ich glaubte selber nicht an die Wirkung meiner Worte – aber wenigstens musste ich jetzt dieses Grinsen nicht mehr ertragen.
Wie wir uns für den Rest der 6. Klasse arrangierten, weiss ich nicht mehr. Aber etwa drei Jahre später klopfte es an meiner Klassenzimmertüre. Marc stand vor mir und fragte mich, ob er mich besuchen dürfe. Ich freute mich über den Besuch, und als der Unterricht zu Ende war und alle Schulkinder das Zimmer verlassen hatten, sprach Marc zu mir: „Es geht mir gut! Ich rauche aber immer noch. Doch etwas muss ich Ihnen sagen. Sie haben mich verflucht! Seit unserem Gespräch damals muss ich wirklich bei jeder Zigarette an Sie denken!“
Da lächelte ich ihn an und antwortete: „Das ist doch wenigstens ein Teilerfolg, nicht wahr?“